Gewährleistungsverzicht beim Wohnungskauf?
Der Verkäufer einer Wohnung haftet für „geheime“ Baumängel, wenn zwar die Gewährleistung ausgeschlossen, im Vertrag aber darauf hingewiesen wurde, dass der Käufer die Wohnung besichtigt hat und deren Zustand kennt.
Käufer einer neuwertigen Wohnung machen gegen den Verkäufer Gewährleistungsansprüche wegen Baumängeln geltend, die bei der Besichtigung nicht erkennbar waren. Der Verkäufer steht auf dem Standpunkt, dass seine Haftung vertraglich ausgeschlossen sei.
Im Kaufvertrag über die Wohnung wurde Folgendes vereinbart:
„Die Käufer haben den Vertragsgegenstand vor Vertragsunterfertigung eingehend besichtigt und kennen daher dessen Art, Lage und äußere Beschaffenheit. Die Übergabe und Übernahme des Kaufgegenstandes erfolgt im bestehenden tatsächlichen Zustand desselben, ohne Haftung des Verkäufers für einen bestimmten Bau- oder Erhaltungszustand des Objektes oder eine sonstige bestimmte tatsächliche Eigenschaft oder Beschaffenheit der Liegenschaft.“
Das Erstgericht wies die Klage aufgrund dieses Haftungsausschlusses ab.
Das Berufungsgericht sprach aus, dass das Klagebegehren dem Grunde nach zu Recht bestehe. Es ging davon aus, dass sich ein umfassender Gewährleistungsverzicht zwar grundsätzlich auch auf „geheime“ Mängel beziehe. Die Vertragsbestimmung sei aber dahin zu verstehen, dass für Mängel, die bei einer Besichtigung nicht erkennbar seien, gehaftet werde.
Der Oberste Gerichtshof bestätigte die zweitinstanzliche Entscheidung. Bereits in der bisherigen Rechtsprechung sind vergleichbare Vertragsbestimmungen dahin ausgelegt worden, dass nur die Gewährleistung für solche Mängel ausgeschlossen wird, die für den Käufer bei sorgfältiger Besichtigung erkennbar gewesen sind. Dies folgt daraus, dass der Haftungsausschluss mit dem Hinweis auf den dem Käufer bekannten Zustand des Objekts und der ihm eingeräumten Gelegenheit zur Besichtigung in Verbindung steht. Das war auch hier der Fall. Darauf, ob der vertragliche Hinweis auf die erfolgte Besichtigung mit dem Haftungsausschluss sprachlich „verbunden“ wurde, kommt es nicht an.
OGH | 1 Ob 79/23h | 23.05.2023 |