Wertminderung bei Gebäuden
Problemstellung:
Kann nach einem Schadensfall der geschädigte Eigentümer eines Gebäudes trotz und nach vollständiger Reparatur eine Wertminderung als positiven Schaden geltend machen?
Die Wertminderung beruht auf der Annahme, dass eine Sache nach einem Schadeneintritt trotz vollständiger und einwandfreier Reparatur vom Markt geringer bewertet wird, als eine unbeschädigt gebliebene Sache.
Aufgrund geringerer Wertschätzung am Markt kann trotz einer vollständigen Reparatur im Falle des Verkaufs dieser Sache weniger Wert erzielt werden.
Die Wertminderung ist ohne Rücksicht darauf zu ersetzen, ob der Geschädigte die Sache reparieren lässt oder verkauft.
Vom Obersten Gerichtshof wird seit mehr als 20 Jahren in ständiger Rechtsprechung die sogenannte „merkantile Wertminderung“ bei Liegenschaften und Gebäuden bejaht, z. B. wenn eine Liegenschaft oder ein Gebäude einer Hangrutschung ausgesetzt war, ein Haus aufgrund einer Minderbewehrung fehlerhaft gebaut wurde, es aufgrund eines Rohrplatzers zur Beschädigung kam oder ein Haus wegen eines Tunnelbaues beschädigt wurde.
Tatsache ist, dass am Markt der Verdacht etwaiger Spätschäden bei Hausgrundstücken bewertet und der Verkäufer zu Offenlegung solcher Mängel verpflichtet ist. Auch bei Häusern, deren Errichtung noch nicht abgeschlossen ist, kann eine Wertminderung eintreten.
Eine Wertminderung tritt jedoch nur bei einer nicht unwesentlichen Beschädigung der Sache ein. Ganz geringfügige oder harmlose Schäden sind deshalb zu vernachlässigen.
Solche Bagatellschäden sind jedoch dann nicht anzunehmen, wenn die Reparaturkosten 10% des Wiederbeschaffungswertes (= Marktwert vor Schadenseintritt) übersteigen.
Auch erhebliche Vorschäden der Sache können dazu führen, dass trotz eines Schadenseintrittes keine Wertminderung eintritt.
Wenn der Wertermittlungszeitraum lange Zeit nach der Reparatur liegt, sinkt die Wertminderung, und zwar nach ca. 15 Jahren gegen 0.
Für die Höhe der Berechnung der Wertminderung ist der Zeitpunkt der Schadensbehebung (Reparatur) maßgeblich.
Nach der jüngeren Judikatur kann die Höhe bis zu 20% des Verkehrswertes der Liegenschaft erreichen. Für die Ermittlung der exakten Höhe der Wertminderung bedarf es in der Regel eines Gutachtens aus dem Fachgebiet der Liegenschaftsbewertung.
Im Streitfall ist jedoch auch eine frei errichterliche Schadensschätzung denkbar.
Sowohl ein Sachverständiger, als auch ein Richter wird von folgenden Faktoren auszugehen haben:
1. Höhe der Reparaturkosten:
Je höher diese Kosten sind, desto höher wird auch die merkantile Wertminderung einzuschätzen sein. Entscheidend ist die Höhe der Kosten im Verhältnis zum mangelfreien Gebäudewert.
2. Die Zeit, die seit der Reparatur verstrichen ist:
Die Wertminderung wird hoch anzusetzen sein, wenn die Reparatur erst vor kurzem durchgeführt wurde. Hingegen schwindet etwas Misstrauen des Marktes (und die entsprechende Wertminderung) je länger das Gebäude seit der Reparatur folgeschadensfrei geblieben ist.
3. Alter bzw. (Rest-)Nutzungsdauer des Hauses:
Je jünger das Haus ist, desto höher wird die Wertminderung ausfallen.
(Zusammenfassung eines Aufsatzes von Jürgen C. T. Rassi, Richter des OLG Wien, in RZ 2009, 163)